Ausschlaggebend für das Empfinden von Lebensfreude sind unsere Einstellungen, unser Verständnis unserer Welt, wie wir unsere Realität erleben. Unserer Realität ist das WAS und WIE wir etwas wahrnehmen bzw. interpretieren und beurteilen – alles hat mindestens 2 Seiten und aus jeder Perspektive sieht es anderes aus, denn es gibt verschiedene subjektive Wahrheiten und alles wirkt, je nachdem, aus welcher Entfernung wir es betrachten, unterschiedlich gross. Zu nahe am Gegenstand, erkennen wir nichts mehr – zu weit entfernt, ebenso oder bei “Scheinriesen”: Je weiter entfernt, desto größer erscheinen sie, doch je näher sie herankommen, desto kleiner werden sie. Auch zeigt uns die Dreidimensionalität, dass ein und dieselbe Welt aus unterschiedlichen Richtungen unterschiedlich aussieht. Hinzu zur Perspektive kommt, welche “Brille” wir gerade aufhaben, die durch unsere Einstellungen gefärbt ist. Es gehört längst auch zum gehirnpsychologisch umfassend nachgewiesenen Standardwissen, dass die grundlegende Steuerung unserer Wahrnehmung durch unsere Emotionen erfolgt, die wiederum mit unseren Einstellungen verbunden sind. Es kommt immer darauf an, aus welcher Perspektive und mit welcher Einstellung etwas betrachtet wird. Verändern wir unsere Wahrnehmung, verändern wir unsere Welt.
Nach einer wissenschaftlichen Studie der Harvard Universität hören wir bis zu unserem 18. Lebensjahr von unseren Eltern, Nachbarn, Bekannten, Freunden und der Gesellschaft 148.000 mal:”Das schaffst Du nicht!”, “Das kannst Du nicht!”, “Das ist unmöglich”, “Schlag Dir das aus dem Kopf!”, “Vergiss es!” usw. und irgendwann glauben wir selbst, dass wir unsere Träume nicht verwirklichen können und manche hören gar auf zu träumen. Wenn niemand an uns und unseren Traum glaubt, fällt es uns sehr schwer, an uns selbst zu glauben. Wenn es danach ginge, was andere oder die Wissenschaftler für möglich halten, dann dürfte die schwere Hummel mit ihren kleinen Flügeln nicht fliegen können. Denn wenn man die traditionellen physikalischen Gesetze der Aerodynamik zugrunde legt, können Hummeln eigentlich gar nicht fliegen. Das Verhältnis des Körpergewichts zur Flügelfläche passt nicht. Zum Glück weiss die Hummel nichts davon! Der Hummel würde nie im Traum einfallen, daran zu zweifeln, fliegen zu können. Wie oft sagen wir selbst zu uns oder zu anderen, dass etwas unmöglich ist oder nicht geht…. Unsere Grenzen setzen wir uns selbst oder lassen sie uns gar von anderen setzen – wir haben immer die Wahl, auch wenn wir sie nicht immer sehen – und wir haben selbst die Verantwortung für unser Leben und unser Handeln – auch wenn es nicht immer leicht ist, die eigene Verantwortung zu übernehmen und für sich selbst einzustehen. Es ist leichter die Verantwortung abzugeben und sich als Opfer zu fühlen. Doch indem wir unsere Verantwortung abgeben, geben wir unsere Kraft ab, unser Leben selbst in die eigenen Hände zu nehmen. Niemand kann wissen, was wir wollen und was gut für uns ist, ausser wir selbst. Keiner kann unser Leben für uns leben. Auch tragen wir selbst die Verantwortung für unsere eigenen Gefühle. Unsere Bedürfnisse sind untrennbar mit unseren Gefühlen verbunden. Unsere Gefühle machen uns unsere Bedürfnisse erkennbar – und daran ist niemand “schuld”. Unsere Emotionen machen ein Erfüllen oder Nichtberücksichtigen unserer Bedürfnisse sichtbar.
Authentizität bedeutet, dass das Handeln einer Person nicht durch externe Einflüsse oder unbewussten internen Einflüssen bestimmt wird, sondern aus der Person bewusst selbst stammt. Gefühle sind zentraler Bestandteil menschlichen Lebens – ohne Gefühle keine Authentizität. Um nun eine im wahrsten Sinne des Wortes einfühlsame Beziehung zu mir selbst und anderen Menschen aufzunehmen, ist es daher unverzichtbar, die eigenen Gefühle überhaupt wahrnehmen zu können.
Es gibt Gefühle. Sie sind eine Information über den Stand der innermenschlichen Verarbeitung von Erlebnissen im Jetzt und im Früher. Sie können positiv oder negativ empfunden und bewertet werden. Von negativen Gefühlen und Emotionen spricht man landläufig dann, wenn es sich um schwierige, also unangenehme oder unerwünschte innere Zustände handelt, zum Beispiel Ärger, Eifersucht, Wut, Enttäuschung, Neid. Es sind “schwierige” Gefühle. Und sie sind! Sie existieren. Unterdrückung und moralische Bewertung machen uns krank und unsozial. Langfristig führt diese Verdrängung in eine unbewusste Selbstschädigung auf der körperlichen und psychischen Ebene. Doch haben diese Gefühle einen Grund. Sie sind die natürliche Schutz- und Abwehrreaktion auf Verletzungen in der Vergangenheit. Körperliche Verletzung und seelische Verletzungen. Das geschieht oft in der frühen Vergangenheit eines Menschen, wenn alles noch ungeschützt und ungefiltert in ihn hineingeht, ihn zutiefst trifft und prägt. Die durch solche Verletzungen entstandenen Wunden vernarben zu überempfindlichen Stellen, die nie mehr ganz verheilen: die Ur-Verletzungsgefühle. Erst im passenden Konfliktfall werden diese Vorverletzungsgefühle wieder aktiviert und brechen dann als scheinbar verjährtes Weh mit alter Wucht beim Erwaschenen durch.
Es gibt die Ur-Verletzungsgefühle beim ursprünglichen Leid, die Hilflosigkeit dazu und die Trauer darüber und es gibt die Abwehrgefühle, wie z.B. Wut, Hass, Ärger, Gier, Selbstmitleid, Misstrauen, Resignation, die später automatisch als Schutzreaktion über die Urverletzungen gelegt werden. Im Grunde sind es Bewältigungsstrategien, Aufrüstungsbemühungen, Tarnungsaktionen, Verhaltenstaktiken, die die Vorverletzungsgefühle verbergen. Da ein Konflikt nun tief geht – mitten in die alten Vorverletzungsgefühle hinein -, löst er dort den automatischen Abwehralarm aus. Die dadurch sofort ausrückenden Abwehrgefühle bewirken aber eine noch größere Isolierung im Konflikt. Denn Abwehrgefühle tennen Menschen. Erst die Konfliktereignisse lassen die schwierigen Gefühle sichtbar werden. An ihnen haftet zusätzlich noch die Beziehungsdynamik der ursprünglichen Verletzungssituation. Wer kennt es nicht, wenn man sich plötzlich wie das kleine Mädchen, der kleine Junge von damals fühlt…. Subjektiv empfinden man hingegen, dass die andere Konfliktpartei es sei, die einen diese Gefühle macht und somit auch dafür zuständig ist. Der andere ist nur der Auslöser für das bereits vorhandene Innentrauma der Vorverletzungsreizung und ist nicht der Grund dafür.
Es sind nicht nur die äusseren Konflikte, sondern oft auch die inneren Konflikte, die uns blockieren. Unsere Einstellungen haben den Charakter von urteilenden Sätzen (Glaubenssätzen). Sie entstehen in Situationen, die mit sehr intensiven Gefühlen verbunden sind und dienen dazu das Geschehen verstehbar und damit sicher oder ertragbar zu machen. Meist werden diese Einstellungen bereits in der Kindheit entwickelt. Lehnen wir Persönlichkeitsanteile von uns oder unsere Eltern ab, entdecken wir diese gerne dann bei anderen, um sie dann entweder zu bekämpfen oder “anzuhimmeln”. Was wir in uns selber nicht aushalten, machen wir mit unserer Umwelt aus. Das Bild, das wir in uns von uns und von unserer Welt haben, bestimmt, was wir in Gedanken für möglich halten. Denn nur das, was wir uns selbst vorstellen können, kann auch für uns Realität werden – dies gilt nicht nur im positiven Sinne (self-fulfilling prophecy). Dafür ist es wichtig, Blockaden aufzulösen, damit unsere Energie wieder fliessen kann und wir diese nutzen, indem wir unser Leben aktiv selbst gestalten – statt andere “verbessern” zu wollen, ist es effektiver generell mehr, intensiver und tiefer von all dem wahrzunehmen, was in und um uns herum geschieht, um sich selbst besser zu begreifen. Das einzige, was wir dazu brauchen, sind andere Menschen, mit denen wir unsere Wahrnehmungen, Empfindungen, Erfahrungen und Wissen teilen können.
Es ist inzwischen mittels wissenschaftlicher Verfahren beweisbar geworden, dass das Denken allein – oder der Verstand, kein geeignetes Instrument ist, um sich damit in der Welt zurechtzufinden, im Gegenteil. Je komplexer die mit Hilfe dieser Ratio gestaltete Lebenswelt wird, je stärker sich das Spektrum der Handlungsmöglichkeiten des Menschen erweitert, desto mehr vesagt das rationale Denken, wenn es darum geht, komplexe Zusammenhänge zu erfassen und sinnvolle Entscheidungen zu treffen, die das eigene Überleben sichern und Weiterentwicklung ermöglichen. Das Zeitalter der Rationalität geht mit einer bemerkenswerten Erkenntnis zu Ende: Denken können wir, was wir wollen. Sogar Handeln können wir – zumindest eine Zeit lang – nach unserem eigenen Gutdünken, aber um glücklich und zufrieden, mutig und zuversichtlich leben zu können, müssen wir in der Lage sein, etwas zu empfinden. Wir müssen also die Intelligenz und die Kraft unserer Gefühle wieder erkennen, schätzen und nutzen lernen. Wir müssen die verloren gegangene Einheit von Denken, Fühle und Handeln, von Rationalität und Emotionalität, von Geist, Seele und Körper wiederfinden. Sonst laufen wir Gefahr, uns selbst zu verlieren.
Ohne es selbst zu bemerken, entfernt sich der Mensch im Verlauf des Anpassungsprozesses immer weiter von dem, was sein Denken, Fühlen und Handeln ursprünglich, als er noch ein kleines Kind war, primär geprägt hatte: die eigene Körpererfahrung und die eigenen Sinneserfahrung (wenn ein Kind sich freut, dann freut es sich bis in die letzte Zelle und wenn es weint, dann schlurzt der ganze Körper). Das Bedrüfnis nach Zugehörigkeit ist der Schlüssel zum Verständnis des Anpassungsprozesses, der Menschen dazu bringt, ihr Gefühl von ihrem Verstand und ihrem Körper von ihrem Gehirn abzutrennen. Weil wir Menschen, vor allem als Kinder, allein überhaupt nicht überlebensfähig sind, bleibt einem Kind gar keine andere Möglichkeit, als sich den Denk- und Verhaltensmuster der Familie, der Gemeinschaft anzupassen, von der sein Überleben abhängt.
Das menschliche Gehirn ist aber nicht nur umbaufähiger als bisher angenommen - die Hinforschung hat bewiesen, dass unser Gehirn eine Baustelle ist – lebenslang. Unser Erleben wird von uns selbst und unseren Erfahrungen, die wir in Beziehung zu unseren Mitwelt machen, ständig neu kreiert: Neuronenverbindungen, die wir nicht nutzen, lösen sich auf, Neuronenverbindungen, die wir häufig aktivieren, werden verstärkt. Jeder neue Reiz veranlasst das Gehirn, nach ähnlichen, bereits abgespeicherten Muster des Erlebens zu suchen und diese wieder aufzurufen. Unbewusst wiederholen Menschen in ihrer Kindheit entstandene und im späteren Leben immer wieder verfestigte Erlebens- und Verhaltensmuster.
Die Abwehr von Gefühlen, von schmerzvollen, traurigen oder wütenden Gefühlen, die in einer Beziehung nicht gezeigt werden dürfen, darum unterdrückt werden müssen und natürlich schwer auszuhalten sind, geht mit muskulären Anspannungen einher. Alle Sinneseindrücke, die mit den alten Erfahrungen assoziiert werden, rufen auch die alten Gefühle wieder wach. Darauf reagiert der Körper mit erneuten Anspannungen. Vor allem seelische Verletzungen, die während der frühen Kindheit mit dem Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit, Ablehnung und Entwertung einhergehen, werden auf diese Weise sehr nachhaltig “verkörpert”. Dadurch verändern sich Haltungsmuster und Atmung. Und je stärker damals, als all das passierte, die emotionale Erregung war, entweder schreckliche Angst oder auch als überschäumende Freude, desto fester sind diese Erinnerungen im Hirn verankert. Oft genügt dann ein kleiner Anlass, ein bestimtmes Geräusch, ein spezieller Geruch, eine besonderer Körperstellung oder ein eigentlich belanglosser Satz, und es ist plötzlich wieder präsent: das ganze alte Geschehen steht uns wieder klar vor Augen, die gleichen alten Gefühle werden wieder wach, und wir rutschen sogar wieder in dieselbe Körperhaltung wie damals.
Die Warhnehmung und das Empfinden und das Denken und das Fühlen und die Stimmungen und die Körperhaltung und all das, was im Körper passiert, sind auch viel enger miteinander verbunden und aneinander gekoppelt, als bisher gedacht. Ändern könnt man sich also schon. Das ist nicht das Problem. Was aber eine tatsächliche Veränderung so schwer macht, ist der Umstand, dass alles so eng miteinander verknüpft ist: falsche Vorstellungen, fragwürdige Überzeugungen, übernommene Haltungen, unterdrückte Gefühle. Gespräche oder tiefschürfende Überlegungen helfen nur, wenn sie auch wirklich auf den Grund gehen, d.h. wenn sie zu grundlegenden neuen Erkenntnissen führen, die dann auch neue Erfahrungen möglich machen – reale Erfahrungen mit allen Sinnen und Emotionen.
Wir achten zu wenig auf unseren Körper und unser Wohlbefinden, fühlen uns ständig gehetzt, unter Zeitdruck und angespannt. Wir nehmen uns zu wenig Zeit, zu hinterfragen, was wir brauchen, was uns wichtig ist, warum wir etwas tun, wie wir etwas machen… Oftmals verbringen wir den Tag wie ein Roboter, der stur nach seinem eingefahrenen Programm arbeitet oder wie der Hamster in seinem Rad. Wir kommen erst zur Besinnung und zum Einhalten, wenn wir krank werden oder uns seelisch schlecht fühlen. Wir erleben die Welt durch unsere Sinne und je nach unserem Fokus auf die Welt bzw. durch welche Brille wir gerade die Welt betrachten, löst dasselbe Geschehen bei jedem andere Emotionen aus, die nicht nur unseren Körper beeinflussen (wir können nicht alle Informationen aufnehmen, sie werden durch uns gefiltert und darüberhinaus auch noch von uns interpretiert, daher erlebt jeder seine eigene Realität – jeder hat seine eigene Wahrheit und abhängig von unseren Erfahrungen und Einstellungen reagieren wir entsprechend). Die Redewendungen “das geht mir an die Nieren”, “das schlägt mir auf den Magen” oder “an etwas schwer tragen” drückt aus, wie sich unsere Erleben auf unseren Körper auswirkt.
Am deutlichsten gräbt es sich in unseren Gesichtern ein: ab dem 40ten Lebensjahr haben wir immer mehr das Gesicht, das wir uns “verdient” haben, die Lachfältchen ebenso wie die Sorgenfalten etc. Schaue genauer in ein älteres Gesicht und Du siehst auch wie derjenige sein Leben meistert, ob es Güte oder Härte oder Verbitterung ausstrahlt – und das heisst nicht, dass derjenige mit einer gütigen Grundhaltung auf ein leichteres Leben zurückblicken kann, als derjenige, der nurmehr das Negative sehen kann. Was jeder aus seinem Leben macht, dafür trägt jeder selbst die Verantwortung. Nur muss man diese auch für sein Handeln übernehmen und kann nicht mehr die Schuld auf andere schieben. Kein anderer ist schuld daran, dass man nach einem Sturz liegen bleibt. Wir alle kennen dies Ur-Verletzungsgefühle, das verbindet uns, wie wir damit umgehen, das bewirkt die Trennung, die Trennung von uns selbst und von anderen. Es ist einfacher, die schwierigen Gefühle bei anderen zu verurteilen, als bei sich selbst anzusehen – aber es geht uns sicher nicht gut damit.
Zu diesen Einsichten hat mir nicht nur meine eigenen “Lebensweisheit” verholfen, sondern vor allem die neuesten Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften, insb. von Prof. Dr. rer.nat.Dr.med.habil. Gerald Hüther, Antonio R. Damasio (Professor für Neurologie und Leiter des Departements of Neurologie an der Univerisity of Iowa), Joseph LeDoux (Professor am Center for Neural Science an der New York University), Joachim Bauer (Professor für Psychoneuroimmunologie, ausgezeichnet mit dem Organon-Forschungspreis), Gerhard Roth (Direktor des Instituts für Gehirnforschung an der Uni Bremen) und der Affektlogik: Dr. med., em. Professor für Psychiatrie Luc Ciompi, Ordinarius und Direktor der Sozialpsychiatrischen Universitätsklinik Bern; Allan N. Schore, Ph.D., Psychoanalytiker und Aissistant Clinical Professor für Psychiatrie und Bioverhaltenswissenschaften an der David Geffen School of Medicine der University of California in Los Angeles (gilt als “the world´s leading authority on neuropsychoanalysis”), Margit Koemeda-Lutz, Mitglied der Wissenschaftskommission und Forschungsbeauftragte der Schweizer Charta für Psychotherapie sowie auch die Bücher und Vorträge in diesem Zusammenhang von Dr. Gunther Schmidt (, Dr. med., Dipl. rer.pol., Facharzt für psychosomatisch Medizin und Psychotherapie, Mitbegründer des Heidelberger Instituts für systemische Forschung und Beratung, der Internationalen Gesellschaft für Systemisch Therapie (IGST), des Heilm-Stierlin-Instituts, Leitender Arzt der SysTelios-Psychosomatik-Privatklinik, Leiter des Milton-Erickson-Instituts Heidelberg), Dr. med. Godehard Stadtmüller uvam.