1. Hypnose
Bei der Hypnotherapie nach Milton Erickson geht es darum, Sprachmuster gezielt einzusetzen, um eine Trance einzuleiten oder in Trance eigene Ressourcen zur Problemlösung zu finden.
2. Geschichte
Hypnosetherapie ist die älteste Heilmethode der Menschheit, die sich mentaler Techniken bedient, um leib- seelische Prozesse zu beeinflussen. Schon die Höhlenzeichnungen des urzeitlichen Menschen weisen auf hypnotische Gruppenrituale hin. Im schamanistischen Heilwesen der Naturvölker findet Ähnliches statt. Schriftliche Aufzeichnungen über hypnotische Heilrituale sind bereits aus den ersten Hochkulturen (Mesopotamien, Ägypten) überliefert. Im Heilwesen der Antike waren hypnotische Techniken insbesondere in Form des „Tempelschlafes“ verbreitet. Mit seiner Hilfe wurden heilsame Zustände erzeugt und therapeutische Suggestionen vermittelt. Nach dem Niedergang dieser Kulturen überdauerten hypnotische Behandlungsformen in den Zeremonien der Mönchsärzte, in Klöstern und Wallfahrtstätten.
Mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften kam es zu einer Neuinterpretation der Hypnose. Zunächst wurde angenommen, sie sei die Auswirkung eines „animalischen Magnetismus“ (Mesmer). Im 19. Jahrhundert setzten sich schließlich psychologische Konzepte durch, nachdem sich die geistig-psychischen Funktionen des Menschen als Basis und entscheidende Wirkfaktoren der Hypnose herausgestellt hatten. Damit leistete die Hypnoseforschung einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Psychologie als Wissenschaft. Sie lieferte gleichzeitig wichtige Grundlagen und Bausteine für viele der heute gängigen Psychotherapiemethoden.
Als eine eigenständige Therapieform wurde die Hypnosetherapie im 19. und 20. Jahrhundert abwechselnd sehr populär und dann wieder zurückgedrängt. Um 1950 setzte verstärkt Hypnoseforschung nach modernen Standards ein und es kam zu einer Neufundierung der Hypnose als ein wissenschaftlich begründetes, hochwirksames Therapieverfahren. Diese moderne Hypnosetherapie ist eng verbunden mit den Arbeiten des amerikanischen Psychologen und Facharztes für Psychiatrie, Milton H. Erickson. Die maßgeblich von ihm beeinflusste “Klinische Hypnose” bzw. die Ericksonsche Hypnotherapie gilt international als der “State of Art”.
3. Milton H. Erickson
Die Arbeit des amerikanischen Psychiaters Milton H. Erickson (1901-1980), der als der bedeutendste Praktiker und Lehrer der modernen Hypnotherapie angesehen werden kann, ist in den letzten 25 Jahren im deutschen Sprachraum immer bekannter geworden.
Erickson entwarf eine Vielfalt origineller Lösungsstrategien (strategischer Ansatz) und bereicherte das therapeutische Interventionsrepertoire ganz wesentlich durch seine hypnotherapeutischen Ansätze.
Sein eigentliches Genie bestand wohl darin, klientenspezifische Persönlichkeitseigenschaften, Fähigkeiten, Lebenserfahrungen und Erinnerungen als therapeutische Ressourcen in kurzzeittherapeutischen Verfahren so zu aktivieren, dass sie dem Klienten zur Realisierung seiner eigenen Ziele wirkungsvoll verhelfen (Utilisationsansatz). Man kann seine Methode vielleicht beschreiben als: “Alles zu nutzen, was hilft”!
Erickson’s Würdigung des Menschen als einzigartiges Individuum setzte er um, indem er für den therapeutischen Prozess nutzte, was immer der Klient in der Sitzung anbot oder in die Praxis “mitbrachte”. Erickson versuchte, den Klienten in seiner persönlichen “Realitätskonstruktion”, in seiner individuellen inneren Welt von Einstellungen, Werten, subjektiven Erfahrungen und Interpretationen zu verstehen und zu begegnen. Und er war sehr erfolgreich darin!
Ericksons Ansatz, der die Individualität jedes einzelnen Klienten und die daraus folgenden Notwendigkeit, für jeden den passenden Ansatz und Zugang zu finden, betonte, stand im Kontrast zu den standardisierten und autoritären Methoden, die bis in die 50er und 60er Jahre vorherrschend waren. Erickson betont ferner die positive Rolle des Unbewussten. Anders als bei Freud ist für Erickson das Unbewusste eine unerschöpfliche Ressource zur kreativen Selbstheilung. Das Unbewusste ist der Hort von kaum genutzten Erfahrungen des Menschen. Ericksons Ansatz hat zum Ziel, die durch starre Schemata und Denkmuster begrenzte Fähigkeit des Bewusstseins zu erweitern, indem der Hypnotiseur durch spezielle verbale und non-verbale Techniken es dem Unbewussten ermöglicht, die führende Rolle einzunehmen. Gleichzeitig wird es dem Bewusstsein ermöglicht, die unbewussten Selbstheilungskräfte und kreativen Ressourcen zu akzeptieren und zu integrieren.
Ericksons Kreativität in der Wahrnehmung von Details, im Umgang mit allen Botschaften des Klienten, im strategischem Denken und psychotherapeutischen Handeln ermöglichte es ihm, dem Klienten in seiner subjektiven Welt zu begegnen und somit manchmal schnelle und gewissermaßen genial-einfache Lösungen oder Wege zur Veränderung zu finden.
Erickson hatte eine enorme Wirkung auf die gesamte therapeutische Kollegenschaft und seine Nachwelt. Er prägte Jay Haley, Paul Watzlawick, John Weakland und mit ihnen die gesamte Palo-Alto-Gruppe, beeinflusste die damals in Gründung befindliche Familientherapie und viele Schulen der systemischen Therapie, allen voran den lösungsfokussierten Ansatz von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg, die Provokative Therapie von Frank Farrelly und die Systemischen Strukturaufstellungen von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd. Die Gründer des NLP, Richard Bandler und John Grinder, studierten und kopierten seine Technik – ebenso wie die von Fritz Perls und Virginia Satir, um daraus NLP zu konstruieren. Sie haben die Art und Weise, wie Erickson meisterhaft mit hypnotischer Sprache arbeitete in einem eigenen Modell, dem Milton-Modell, beschrieben.
Schon zu seiner Lebzeit hatte sich Erickson den Ruf eines einmaligen Meisters der Hypnose erworben. Er kam mit seinem Ruf sogar auf das Titelblatt der Times. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen haben das Denken bezüglich der Hypnose grundlegend revolutioniert. Jeffrey Zeig und Ernest Rossi waren über viele Jahre Schüler von Erickson und haben einige Bücher auch mit ihm zusammen veröffentlicht. In seinem Todesjahr 1980 wurde auch die Milton H. Erickson Gesellschaft zu seinen Ehren gegründet, die bis heute in Phoenix das umfassendste Archiv seiner Arbeit beherbergt.
3. Erfolgsaussichten
Die Wirksamkeit der Hypnotherapie ist wissenschaftlich belegt. Zum Beispiel wird in der bekannten Studie von Grawe (Univ. Bern) aufgrund einer Meta-Analyse von 19 besonders qualifizierten Effektivitätsuntersuchungen (mit insgesamt 1068 Patienten) der Hypnotherapie eine gute Wirksamkeit bestätigt (Grawe et al., 1994). Revenstorf (Univ. Tübingen) kommt in seiner Übersicht über 77 wissenschaftliche Studien (insgesamt 5825 Patienten) zu einem noch günstigeren Ergebnis (Revenstorf & Prudlo, 1994).